Dienstag, 16. März 2010

Jai spricht: über Musiktherapie

'Ich lebe für die Musik.' - wie oft hört man diesen Satz? Wer gesteht sich noch offen ein, dass er ohne Musik leben könnte? Vermutlich niemand und wahrscheinlich meinen es die Menschen wirklich ernst mit dem, was sie da von sich geben. Ohne Musik wäre ihr Alltag grauer, ihre Motivation geringer und der eigene Wille zur Kreativität eventuell gar gehemmt. Dass sie trotz derartiger Aussagen die Musik illegal herunterladen, sei dabei außen vor gelassen, möchte ich nicht wieder auf dieses leidige Thema eingehen.

Nein, ich würde gerne meine Geschichte dazu beitragen. Wieso Musik, nicht ausschließlich Rap versteht sich, mich Tag für Tag am Leben erhält. Wieso ich nicht eines Tages aufwachen möchte und das vermisse, woran mir mit am meisten liegt. Dazu muss ich etwas weiter ausholen und mit einer Schilderung meiner Selbst beginnen, ehe ich die Musik hinzuziehen kann.

So pflege ich seit jeher zu sagen, dass ich keine bzw. kaum Freunde habe. Was im allgemeinen Sinne meist falsch verstanden wird, möchte ich damit eigentlich nur zum Ausdruck bringen, dass ich sehr stark differenziere zwischen einer Freundschaft und einer Bekanntschaft. Freunde haben bei mir immer noch den hohen Stellenwert von Wegbegleitern. Sie müssen nicht immer neben einem durchs Leben gehen, doch wenn sie gebraucht werden sind sie da. Bekanntschaften hingegen sind bereits Menschen, die ich mag oder die mich mögen, mit denen man eventuell auch mal weggeht, wo jedoch jeder sein eigenes Ding durchzieht, sprich wenn es denn mal Bedarf zum Reden gibt, sind dies die falschen Leute.

Was das mit Rap zu tun hat? Nun, Freunde wurden im Laufe der Zeit immer rarer, bei mir zumindest, und das Gefühl der allgegenwärtigen Einsamkeit überwog mit jedem Tag mehr und mehr. Als bildliche Darstellung darf hier gerne das leicht hilflose Stehen in einer Menschenmenge betrachtet werden, die sich munter um einen windet, während man selbst wie in Trance die Umwelt wahrnimmt. Ein beklemmendes Gefühl, das keiner gerne dauerhaft empfinden möchte und, wenn schon nicht davon geheilt, dann doch wenigstens etwas abgelenkt werden möchte. Linderung ist eben neben der Heilung noch das beste Mittel gegen alles Übel. Und hier kommt nun Rap ins Spiel.

Musik und vorrangig Rap als mein Kern-Genre, hat sich in eben dieser Gefühlslage, welche sich längst nicht nur als Phase reduzieren lässt, als fester Anker etabliert. Als Stütze und wenn man so will als Freund. Zwar kann kein Musikstück der Welt die menschliche Nähe und Wärme ersetzen, das vermag nicht einmal ein Künstler wie Curse, der wahrhaft Großes mit seinen Worten erschaffen kann. Doch ist es ein schönes Gefühl, wenn man zu jeder sich bietenden Gelegenheit die Möglichkeit hat, eine CD einzulegen und den Künstler zu einem sprechen zu lassen. Das sind die Momente, in denen ich der Musik näher verbunden bin, als irgendwann sonst. Diese durchaus intimen Momente, in denen das gesprochene Wort des Künstlers, eines Tages aufgenommen in irgendeinem Studio dieser Welt, im Gehörgang ankommt, wie der gut gemeinte Rat eines Freundes.

Sicher muss auch hier unmittelbar relativiert werde; das Hören von ein paar Stücken guter Musik mit aufbauendem Inhalt, ist nicht in der Lage aus den Tiefen einer Depression etwa hinweg zu täuschen. Erst recht nicht bei dem Gedanken, der Künstler spricht nur wenige Minuten später im nächsten Stück von der Party seines Lebens. Eine Form von Halt vermitteln diese Momente dennoch. Genug, um sich durch den restlichen Tag zu zerren, sich morgens aus dem Bett zu jagen und seinen Dienst zu erbringen. Musik um durch den Tag zu kommen, wie es so schön heißt.

Nun, genau dies ist der Grund, weshalb die Musik bei mir einen derart hohen Stellenwert genießt. Weil sie für mich ein guter Freund ist, der einen nicht im Stich lässt. Der zu seinem Wort steht und das was er sagt eben genau so meint. Ein guter Freund, der einen begleitet, zwar gelegentlich sein Erscheinungsbild variiert, aber stets seiner Selbst treu bleibt. Und damit ist die Musik in manchen, hin und wieder leider auch in den für uns schwersten, Situationen des Lebens der einzige Freund, auf den man bauen möchte und kann.

Und dafür danke ich der Musik aus vollstem Herzen. Nicht um mich damit zum Messias des gesungenen Wortes zu erheben. Nein. Aus dem einfachen Grund, dass sie mich am Leben erhalten hat und das auch hoffentlich weiter tun wird. Auch in den aktuell sehr schweren Tiefen, die das Leben so für einen bereit hält. Musiktherapie.

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