Samstag, 19. Juni 2010

Olli Banjo - Kopfdisco




Er gehört ohne Zweifel zur absoluten Speerspitze der deutschsprachigen Rap-Künstlern und haut mit einer fast schon unheimlich scheinenden Kontinuität Jahr für Jahr auf Silberlinge gebannten Wahnsinn in Reimform raus. Nach dem Kollabo-Album mit Jonesmann im vergangenem Jahr, bekam man dieses Jahr vor allem auf Kool Savas‘ „John Bello Story III“ eine kleine Portion vom fürs Rapvolk so nahrhaften Potpourri aus perversen Zungentechniken, einer unglaublichen Präsenz am Mic und nicht zu vergessen die Wortspiele. Diese scheinen zum Teil aus einem Hirn zu entspringen, das sich das Beste eines Goethe und einem „Fear & Loathing In Las Vegas“ bedient. Kurzum ist Banjo stets großes Kino. Ganz besonders natürlich, wenn es in Albumlänge an Werk geht, wie mit „Kopfdisco“.

Neunzehn Stücke umfassend, bekommt der Hörer allerlei auf die Ohren, was auch nach dem Hören im Gedächtnis bleibt. Zunächst wäre die bloße Zurschaustellung Olli Banjos Können Kernthema. Dieses steckt in jeder Zeile des Openers „Szenecountdown“ und wabbert ordentlich darauf los. Dass dies noch längst nicht alles ist und die Latte noch weitaus höher gelegt werden kann, beweisen „Randale In Der Sonderschule“ und „Ich Bin Ein Rapper“. Ersteres darf man gerne als kleinen Tadel an die Jungspunde da draußen sehen, wohingegen sich Banjo auf „Ich Bin Ein Rapper“ der allgemeinen Spezies Rapper annimmt und das bestehende Bild aufs Genaueste seziert.

Bereits hier darf das ein oder andere Mal gelacht werden, besonders weil es Olli Banjo gelingt, auf mehreren Ebenen gleichzeitig zu agieren. Ähnlich wie ein Blumio, kann man die Stücke als das nehmen was sie sind und sich daran erfreuen. Oder aber die Lines genauer betrachten, um in den gesamten Fokus des Wahnsinns zu kommen. Bei allem Spaß fügen sich dennoch auch feinnervige Stücke wieder. „Lichtplanet“ beispielsweise, auf welchem ein bedrückendes Bild gezeichnet wird. Lustige Punchlines, bildliche Sprache, wilde Klopperei, sexuelle Extreme – der Banjo weiß halt einfach in allen Disziplinen zu glänzen.

In der Schule würde ihn dies zum Streber und somit Feind der übrigen, leistungsschwächeren Mitschüler machen. Rap ist jedoch längst kein Klassenzimmer mehr. Auch wird wohl selbst dem neidvollsten Kollegen das Lachen packen, wenn für „Quando“ Fergie mit so viel Stil in die Ecke getreten wird, dass man dabei sein möchte, wenn diese Bombe live vollends zündet. Nicht genug? Dann sei einem „Vom Anderen Planet“ ans Herz gelegt. Was als textlich stimmige Einleitung eines Horrorstreifens beginnt, wird zum Scary Movie der Rapwelt. Da wird die außerirdische Freundin, nachdem diese die Liquidierung Banjos plant, galant in die Schranken verwiesen: “Wie willst du mich töten, ohne dir selbst in den Fuß zu schießen? Du kannst nicht mal einparken - und du willst ‘n UFO fliegen?”.

Man könnte zu nahezu jedem Stück von „Kopfdisco“ mehr als einen Satz verlieren, so einzigartig sind diese. Besonders dank der innovativen und alles andere als alltäglichen Themen, die behandelt werden („Fotografieren“). Dazu kommen zwar lediglich zwei Gäste, die jedoch ebenfalls bleibenden Eindruck hinterlassen. Während die Chemie zwischen Savas und Banjo in der Vergangenheit bereits thematisiert wurde, ist es vor allem Xavier Naidoo, der sich ungewöhnlich dunkel und vor allem als Teilzeit-Rapper zur erkennen gibt. Weshalb „Mein Weltbild“ künftig in keiner Best-Of-Liste beider Künstler fehlen sollte.

Natürlich kann man nun argumentieren, hier überschwänglich lobende Worte zu lesen, die fernab aller realen Erfahrungen liegen. Fakt ist jedoch, dass in der Tat Track für Track eine kleine Tür geöffnet wird, man eintritt und in dem folgenden Raum neugierig dreinblickend verweilt, ehe man in die nächste Türe geschickt wird. Kopfkino nennt man dieses Phänomen gerne mal. Bei Olli Banjo heißt dies, dank der zum Teil wieder gewohnt brachialischen Synthiebretter zutreffend, „Kopfdisco“. Ein Album, das sich aufmacht, um auch in einigen Jahren noch gefeiert zu werden. Ein moderner Klassiker? Man möchte nicht verneinen.
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Diese Rezension erschien ebenfalls auf HipHopHolic.de

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