Donnerstag, 21. Juni 2012

Jai spricht: Klartext

Wenn du dich dafür entscheidest, Rezensionen zu schreiben, dann rückst du mit dieser Entscheidung zwischen die Stühle, die da heißen "Hörerschaft" und "Künstler". Du solltest einerseits das Schaffen und Sein von Rappern akzeptieren wie honorieren, bei aller negativer Kritik, die du schreibst. Im selben Moment musst du jedoch auch aus der Sicht eines Hörers agieren. Nicht immer ganz einfach, weshalb man leicht dazu neigt, eine der Parteien bevorzugt zu behandeln. Möglicherweise vermittle ich beispielsweise des Öfteren den Eindruck, mehr zu den Künstlern zu stehen, da ich viel Kritik an der Hörerschaft ausübe. Wie ich finde, jedoch zu Recht. Aktuelles Beispiel:

Eine bekannte Internetplattform, die sich mit Rap auseinandersetzt und ein umfangreiches Forum anbietet. Unter anderem gibt es einen Thread, der es Usern erlaubt, ihre Plattensammlung zu präsentieren. Dies hat ein seit kurzem sammelnder User genutzt und seine noch recht überschaubare Liste veröffentlicht und wurde daraufhin von einer Vielzahl anderer User eben dafür belächelt und lächerlich gemacht. Weshalb? Nun, nicht etwa die Größe der Sammlung gab Anlass dazu, sondern die Tatsache, dass diese Sammlung vornehmlich aus bekannten Künstlern bestand und nicht etwa aus Untergrund-Künstlern. 

Anstelle dem jungen Mann Komplimente dafür zu machen, dass er sich anno 2012 noch die Mühe macht und hart erarbeitetes Geld in Platten investiert, gibt es Kritik für die Auswahl der Künstler. Es ist genau dieses Phänomen, welches ich bereits in einem veröffentlichten Leserbrief an die JUICE beschrieb. Ein Großteil der Rap-Hörer scheint vollkommen ignorant zu sein. Man macht sich über Menschen lustig, die nur Mainstream hören (der keinesfalls schlecht sein muss!) und hat keinerlei Verständnis für die ersten, nicht immer einfachen Schritte ins Game. Oder hat jeder von den heutigen (Möchtegern-)Heads gleich mit Untergrundplatten begonnen? Ich kann nur aus meiner eigenen Erfahrung sprechen und auch meine Anfänge waren geprägt von Nelly, DMX, Xzibit und derlei Namen, die mit zu den ersten gehören, denen man, geht es um Rap, begegnet. Nur so war es mir möglich, allmählich über diese Künstler den Anschluss zu neuen Namen zu erhalten. 

Es sind eben diese Momente, in denen ich mich wahnsinnig für (den Großteil) der Hörerschaft von Rap schäme. Sie sind unvernünftig, uneinsichtig, egoistisch und ignorant. Und wäre das noch nicht schlimm genug, sind sie nicht einmal mehr in der Lage, ihre Meinung höflich und für alle verständlich aufzuzeigen, nein, sie schmettern diese nur so hin, ohne Rücksicht auf andere, die Rechtschreibung oder sonst etwas. Es muss gleich verbal in den Angriff gehen. Getreu dem Motto "meine Rap-Helden geben auch direkt in die Fresse, so mach ich das jetzt auch". 

Schwach ist sowas, einfach nur schwach. Von volljährigen, reifen Hörern erwarte ich einfach mehr. Zeigt Verständnis für andere, die eben erst zur Musik gestoßen sind. Lasst sie teilhaben an dem, was ihr aufgebaut habt und unterstützt sie. Und akzeptiert verdammt nochmal, dass es auch Menschen gibt, denen gefällt, was die großen, bekannten Namen so abgeben. Was spricht bitte dagegen, wenn man Geschmack findet an Bushido? Schließt dies automatisch aus, dass andere Kaliber eines Cr7z oder Fage MC ebenfalls den jeweiligen Geschmack treffen können? Ich denke nicht. Zumindest nicht in meinen Augen.

Wir alle schreien immer nach Akzeptanz, Toleranz und das man uns Rap-Hörer endlich ernst nimmt, uns nicht immer nur als übergroße Klamotten tragende, im Sprachgebrauch eingeschränkte Idioten, die nur auf Stress aus sind. Aber wenn wir es nicht einmal auf die Reihe bekommen, uns untereinander mit Respekt zu begegnen, wie sollen wir da erwarten, dass dies nach außen hin funktioniert? Wacht endlich auf und helft dabei mit, den Ruf von Rap zu bessern, indem ihr selbst mit bestem Beispiel voraus geht.

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